OGH vom 26.11.2015, 9 ObA 107/15y
Auch die Kündigung wegen Behinderteneigenschaft, die bei Einstellung verschwiegen wurde, kann als diskriminierend angefochten werden.
1.) Sachverhalt:
Der Kläger war von 15. 6. 2011 bis 11. 9. 2012 (also noch nicht 4 Jahre) bei der Beklagten, einer Produzentin von Abgasreinigungsanlagen für Nutzfahrzeuge, als Schweißer beschäftigt. Im Zuge seines Einstellungsgesprächs legte er im Personalfragebogen nicht offen, dass er begünstigter Behinderter ist. Bei der Untersuchung durch den Betriebsarzt gab er Kopfschmerzen an, erwähnte jedoch keine weiteren Beschwerden oder Erkrankungen und unterschrieb auch eine Erklärung, keine ihm bekannten Leiden oder Krankheiten verschwiegen zu haben. Am 8. 6. 2012 wurde der Beklagten mit Bescheid des Bundessozialamtes vom 14. 5. 2012 die Ausgleichstaxe für 2011 vorgeschrieben. Eine Zustimmung zur Kündigung des Klägers durch den Behindertenausschuss wurde aufgrund der vier Jahre nicht übersteigenden Beschäftigungsdauer des Klägers bei der Beklagten nicht eingeholt (§ 8 Abs 6 BEinstG). Der Kläger begehrt mit seiner Klage, die Kündigung vom 27. 7. 2012 für rechtsunwirksam zu erklären, weil sie – soweit noch revisionsgegenständlich – iSd § 7b Abs 1 Z 7 BEinstG diskriminierend gewesen sei. Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung im Sinne einer Klagsstattgabe ab (unmittelbare Diskriminierung).
2.) Entscheidungsbegründung:
Auch Irrtümer bzw rechtliche Fehleinschätzungen können Verletzungen des Gleichbehandlungsgebots nicht rechtfertigen. Der Schutz vor Diskriminierungen gilt unabhängig davon, ob das Merkmal, aufgrund dessen die Diskriminierung erfolgt, tatsächlich vorliegt oder bloß vermutet wird.
Nur Unkenntnis und „Nichtkennenmüssen“ im Zusammenhang mit dem Kündigungsausspruch (§ 8 Abs 2 BEinstG) „entschuldigt“ den Dienstgeber!